Die ehemalige First Lady Michelle Obama bei einer Präsentation ihrer Memoiren „Becoming“. © Paul R. Giunta / AP / picturedesk.com

Persönlich, klug und politisch relevant. In ihrem neuen Buch fordert Michelle Obama dazu auf, in der Krise den Mut nicht zu verlieren und die Zivilgesellschaft zu einigen.

Sie hat das Zeug dazu, die erste Schwarze* Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden: Michelle Robinson Obama. Allerdings hat sie bisher alle Spekulationen in diese Richtung freundlich, aber bestimmt abgeschmettert. Sie sei keine Politikerin, aber der Gedanke an ein politisches Comeback Donald Trumps mache ihr dennoch Angst. Die acht Jahre im Weißen Haus als First Lady an der Seite ihres Gatten Präsident Barack Obama seien wunderbar gewesen, aber auch herausfordernd. Sie war neu in Washington, „eine Fremde unter Fremden. Meine Gegenwart beeinflusste die Stimmung im Raum nicht etwa aufgrund dessen, wer ich war, sondern was ich war“, schreibt sie in ihrem neuen Buch. Zudem seien die Erwartungen der Menschen an den US-Präsidenten enorm, aber auch er hätte nur begrenzte Macht. Vielmehr müssten wir alle etwas beitragen, um im Kleinen etwas zu verändern. Und so hat sie bereits ihr zweites Buch „Das Licht in uns“ geschrieben und tourt mit bislang 13 Auftritten in sechs US-amerikanischen Großstädten durch die Lande, um es vorzustellen. Ihr Lachen steckt an, ihre Stimme ist dunkel und ruhig. Obama liebt den Kontakt mit den Menschen, besonders mit jungen Frauen und Kindern. Da geht ihr das Herz auf. „Zeit mit Kindern zu verbringen ist die beste mir bekannte Kraftquelle, wenn man sich den Herausforderungen von Ungerechtigkeit, Angst oder Kummer stellt.“ Sie begegnet Menschen am liebsten persönlich und „schöpft Kraft daraus, mit anderen zusammen zu sein. Nachdem wir wegen der Pandemie zwei lange Jahre eingesperrt waren, sehnen wir uns, glaube ich, alle danach, zusammen zu sein, einander zu umarmen, miteinander zu lachen. Ich habe Menschen persönlich getroffen, die mir über die Jahre Briefe geschrieben haben; und ich habe sogar vertraute Gesichter von meiner letzten Lesereise wiedergesehen! Es war einfach unglaublich und ich könnte wirklich nicht dankbarer sein.

„Das Stricken hat mir gezeigt, wie sich Ängste beruhigen lassen“, so Michelle Obama. © Merone Hailemeskel, Courtesy of the Obama-Robinson Family Archive

Ob sie ein Vorbild sein möchte? Nicht um ihretwillen, aber wenn es Menschen hilft, ihnen Mut zu machen, um ihre eigene Stimme zu erheben. Sehr bald hatte man Michelle Obama bei ihrem Job als First Lady den Stempel der „zornigen Schwarzen* Frau“ aufgedrückt. Aber sie hat sich entschieden, sich von ihrer besten Seite zu zeigen. „When they go low, we go high“ – wenn sie sich von ihrer schlechtesten Seite zeigen, zeigen wir uns von unserer besten –, äußerte sie zum ersten Mal bei einem Parteitag der Demokraten 2016. Sie hätte sich nie gedacht, dass die Wendung „We go high“ an ihr „haften, fast schon zu einem Synonym für meinen Namen werden sollte. Ich gab damit wirklich nur ein schlichtes Motto weiter, nach dem meine Familie zu leben versuchte, eine treffende kurze Wendung, mit der Barack und ich uns gegenseitig ermahnten, die eigene Integrität zu bewahren, wenn wir beobachteten, wie andere sie verloren.“ Das machen sie bis heute. Auf die Frage, ob es sich denn lohne, in Zeiten wie diesen anständig zu bleiben und sich von seiner besten Seite zu zeigen, folgt ein „Ja, immer Ja.
Ein besonderes Anliegen in ihrem Buch sind ihr die zahlreichen Fragen, die ihr von Menschen aus der ganzen Welt in den letzten Jahren gestellt wurden: Wie kann ich meinen Kindern einen optimistischen Blick auf die Zukunft vermitteln? Was kann ich tun, um einen Beitrag zu leisten? Wie kann man als Familie zusammenhalten? Mehr als ihr halbes Leben hat Michelle Obama an der Seite ihres Mannes Barack verbracht und im Oktober haben sie ihren 30. Hochzeitstag gefeiert. Und die Liebe hält, wenn man einem Instagram- Posting Glauben schenken darf: „Als Erwachsene habe ich an vielen Orten gelebt, aber was mich betrifft, hatte ich immer nur ein richtiges Zuhause. Mein Zuhause ist meine Familie. Mein Zuhause ist Barack.

Michelle Obama: „Barack ist mein bester Freund, meine wahre Liebe und der größte Unruhegeist in meinem Leben.“ © Merone Hailemeskel, Courtesy of the Obama-Robinson Family Archive

look!: In „Das Licht in uns“ haben Sie sehr viele persönliche Themen geteilt und Ihre eigene Verwundbarkeit erkennen lassen. Warum ist es so wichtig, sich zu öffnen und seine eigene Geschichte zu erzählen, wenn man anderen helfen möchte?

Michelle Obama: Ich denke, es gibt viele Menschen auf dieser Welt, die sich alleine und nicht gesehen fühlen. Die Pandemie hat das auf vielfache Art und Weise verstärkt. So viele von uns hatten nicht nur mit der Isolation, sondern auch mit ihren Gefühlen zu kämpfen angesichts dessen, was um uns herum in der Welt vorging – der Hass und die Fremdenfeindlichkeit, der Klimawandel und so vieles mehr. Deswegen war das Schreiben dieses Buches und das Erzählen davon, womit ich selbst zu kämpfen hatte, meine ganz eigene Art, mich mit den Menschen zu verbinden und sie wissen zu lassen, dass ich sie sehe. Ich möchte sie wissen lassen, dass ich verstehe, wo sie herkommen, und dass es in Ordnung ist, wenn man zu kämpfen hat in einer Welt voll Unsicherheit und Angst. Mir geht es so. Uns allen geht es so. Und sobald wir unsere Verletzlichkeit eingestehen und unsere Gedanken teilen, können wir uns umso leichter mit denen um uns herum verbinden. Wir erkennen, wo unsere Geschichten Gemeinsamkeiten haben. Und dann können wir zusammen einen Weg finden weiterzukommen.

Wie ist es für Sie, nun die Beraterinnenrolle einzunehmen und Menschen in Lebensfragen beizustehen?

Nun, zuallererst sehe ich mich natürlich nicht als Therapeutin. Ich versuche mit diesem Buch lediglich, meine eigene Geschichte mit anderen Menschen zu teilen. Ich denke, dass wir alle in hohem Maße dieselben Verletzlichkeiten und Gefühle durchleiden, und über die Jahre – vor allem in den letzten Jahren – habe ich oft sehr ähnliche Gespräche mit Freund*innen, Mitarbeiter*innen und Bekannten geführt. Also dachte ich, es würde helfen, mich den Menschen zu öffnen und mit ihnen die Werkzeuge und Praktiken zu teilen, die ich benutze, um durch harte Zeiten zu kommen. Glauben Sie mir, ich habe immer noch viel zu lernen. Also versuche ich, Menschen den bestmöglichen Rat, basierend auf dem, was ich weiß, zu geben. Immer vorausgesetzt, dass mein Wissen sich ändern kann, je mehr ich begreife von der Welt und den Menschen in ihr. Denn ich kann Ihnen sagen: Jedes Mal, wenn ich glaube, einen Ansatzpunkt für mich oder die Welt gefunden zu haben, passiert irgendetwas, das mich daran erinnert, wie viel ich noch lernen muss.

Zeit mit Kindern ist Michelle Obamas größte Kraftquelle. © Sonya N. Herbert, Courtesy Barack Obama Presidential Library

Sie beschreiben in Ihrem Buch sehr eindringlich die Kraft des Kleinen. Können Sie uns in diesem Zusammenhang erklären, was Stricken mit Wählen zu tun hat und wie Sie darauf gekommen sind?

Hinter der Kraft des Kleinen steckt die Idee, dass kleine Siege uns an unsere Macht erinnern, Großes zu bewirken. Für mich ist Stricken ein kleiner Sieg. Ich stricke
einen Pullover oder einen Schal und egal, wie lange ich dazu brauche – eine Stunde oder ein paar Wochen –, wenn ich fertig bin, schaue ich mir das Ergebnis an und denke: Wow, das habe wirklich ich gemacht. Ich habe das mit meinen eigenen Händen geschaffen. Und ohne es zu sehr vereinfachen zu wollen, lässt sich das sehr gut damit vergleichen, wie es ist, aktiv an einer Demokratie mitzuwirken. Indem wir wählen, erschaffen wir Schritt für Schritt die Welt, die wir sehen möchten. Mit einer Masche bekommen wir keinen Schal. Mit einer Stimme verabschieden wir kein Gesetz. Aber viele Stimmen bauen aufeinander auf. Sie bewegen etwas und bringen uns dahin, wo wir hinwollen. Man sieht die Ergebnisse nicht sofort, aber auf lange Sicht erschaffen wir etwas Starkes und Bestimmtes – etwas, das für uns steht, das Ergebnis unserer besten Absichten und Bemühungen ist.

Wir stehen am Anfang eines Jahres. Haben Sie Vorsätze für das neue Jahr und Ziele, die Sie erreichen möchten?

Ich möchte weiterhin Menschen helfen, ihr eigenes Licht zu erkennen und zu verstehen, dass es in Ordnung ist, sich niedergeschlagen zu fühlen. Dass es in Ordnung ist, sich unsicher zu fühlen. Dass es in Ordnung ist, sich auf jemanden oder etwas zu stützen, um auf Kurs zu bleiben. Wir alle sind in der Lage, die Herausforderungen des Lebens zu meistern, aber wir müssen hart daran arbeiten, unser inneres Licht am Leuchten zu halten und mit aller Kraft unseren Weg zu gehen. Und um ganz ehrlich zu sein, nach der Lesereise freue ich mich jetzt auf eine kleine Pause! Es hat so viel Spaß gemacht, aber ich liebe es, mit Barack Zeit zu Hause zu verbringen, und es wird schön sein, davon im neuen Jahr ein bisschen mehr zu haben.

Blick in ihren „Werkzeugkoffern“

Nach den 2018 erschienenen Memoiren „Becoming“, die sich 17 Millionen Mal verkauften, schaffte es Michelle Obama mit ihrem zweiten Buch „Das Licht in uns. Halt in unsicheren Zeiten“ auf Anhieb auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste. Es ist kein Selbsthilfebuch geworden, sondern ein sehr persönlicher Einblick, mit welchen Methoden die ehemalige First Lady der USA inmitten der Herausforderungen der Covid-19-Pandemie, der Klimakrise und der weltweiten politischen Unruhen immer wieder Sicherheit und Halt finden konnte. „Wenn wir unser inneres Licht entdecken, finden wir auch die Kraft, es zu nutzen“, schreibt Michelle Obama. Eine bereichernde Lektüre mit beeindruckenden Geschichten, inspirierenden Gedanken sowie klugem Rat und Wissen. 
Goldmann Verlag, 384 S., € 28,80.