Uschi Fellner | 01.07.2021
Kolumne by Uschi Fellner
Eines der vielen nebensächlichen Probleme, die diese Pandemie in mir ausgelöst hat, ist, dass ich mich dauernd angesprochen fühle. Jedes Mal, wenn im Büro, in der Schule, ja, sogar im Kindergarten meiner Enkelzwerge oder sonst, wo irgendjemand gesucht wird, der für die Allgemeinheit Gutes tun soll, denke ich auf der Stelle: „Die meinen mich!“
Im Büro hatte jemand die wunderbare Idee, Kleidungsstücke für die Caritas und die Frauenhäuser zu sammeln, und selbstverständlich sind meine Koffer diesbezüglich schon gepackt und transportbereit. In der Schule meines Sohnes wiederum formiert sich gerade die bedrohlich klingende Eltern-WhatsApp-Gruppe „Kinder weg vom Handy!“, in der engagierte Mütter Ratschläge geben, wie so ein aussichtsloses Unterfangen funktionieren könnte. Ich selbst bin stilles Mitglied der Gruppe und habe dazu eine klare Meinung: „Sinnlos!“
Ich will nicht mitdiskutieren. Und ich will, bitte, nicht mitbacken beim „Generationenfest“ des Kindergartens, der aus Pandemie-Sicherheitsgründen die geplagten Eltern und Großeltern mit einem „innovativen Konzept“ zur Teilnahme drängt: „Bitte geben Sie Ihren Kuchen am Tag der Veranstaltung morgens gemeinsam mit Ihrem Kind oder Enkelkind ab und loggen Sie sich am Vormittag in der Schmetterlings- Gruppe mit Zoom ein, Link anbei.“
Ein via Zoom zelebriertes Kleinkinder-Event, bei dem man als Momi oder Nona oder Momschi (das wäre einmal eine eigene Kolumne Wert – warum es den ehrenwerten Begriff der Oma nicht mehr gibt) aufgeweckte Sprösslinge beim Mampfen von Muffins und Vortragen fröhlichen Liedguts virtuell beobachtet? Ich will nicht unhöflich sein, aber glaube, ich hab dringend was zu tun!
Bitte gewinnen Sie jetzt keinen desaströsen Eindruck von mir. Ich bin eine ziemlich gute Momi, eine recht passable Mama, allerdings eine verheerende Kuchenbäckerin für die Allgemeinheit.
Und ich werde leider zur launischen Krähe, die Mann, Kinder und allfälliges, im Haushalt lebendes Getier dynamisch bekrächzt, wenn ich neben meinem Job zu oft zum allgemeinen Wohl beitragen soll. Und das kann ja wirklich keiner wollen, dass Ehen zerbrechen, und Kinder und Hunde traumatisiert werden, nur damit in der Schmetterlings-Gruppe ein Karrottenkuchen mehr verdrückt wird.
Darum backe ich nur äußerst selten für die Kindergärten oder Schulen meiner heiß geliebten Nachfahren und war in meinem ganzen Leben erst ein einziges Mal (und nur für zwei Tage) Elternsprecherin und werde 2021 nur bei maximal einem Generationenfest geholfen haben.
Es ist ja so: Kaum sind die eigenen Kinder dem Gröbsten entwachsen und man denkt, dass eine strahlende still- und windelfreie Zukunft vor einem liegt, knüppelt die Allgemeinheit mit dramatischen Ansprüchen los.
In meinem Bezirk hat sich etwa inmitten der Pandemie die Nachbarschaftsgruppe „Joggen gegen Corona“ formiert. Sport boostet bekanntlich das Immunsystem. Ich finde „Joggen gegen Corona“ zwar keine ausschlaggebende Maßnahme gegen das Virus, aber eine tolle Initiative bzw. ich fand – bis zu dem Samstagmorgen, als die geschlossene Gruppe (elf NachbarInnen) zu meiner Haustüre joggte, um mich abzuholen, weil ich auf zahlreiche WhatsApp-Mitteilungen nicht reagierte (ich dachte mir zwar wieder: „Die meinen mich!“, wusste aber nicht, dass sie es ernst meinten).
Bin ich mitgejoggt? Nö. Ich versuche seit Jahrzehnten ergebnislos, Joggen in mein Leben zu integrieren, leider langweilt es mich sehr, auch wenn es gegen Corona und in Begleitung von elf NachbarInnen ist.
Aber so brutal habe ich das den erwartungsfrohen JoggerInnen natürlich nicht ins Gesicht gesagt. Vielmehr habe ich auf meine Momschi-Pflichten, die Nachfahren betreffend, gepocht: Muss dringend Kuchen backen für das Generationenfest in der Schmetterlings-Gruppe!
Das kleinere Übel ist manchmal eine große Glückseligkeit.
Herzlichts, Ihre...