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Events | 19.04.2022

The Show must go on

Familiensaga. Maria Köstlinger und Sona MacDonald spielen in der deutschsprachigen Erstaufführung des Erfolgsstücks „Leopoldstadt“ von Tom Stoppard. Ein emotionales Interview mit zwei wunderbaren Künstlerinnen.

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Das monumentale neue Stück „Leopoldstadt“ von Theaterlegende Tom Stoppard wird in der Übersetzung von Daniel Kehlmann erstmals in deutscher Sprache aufgeführt. © Stefan Diesner

Ihr Lachen hören wir schon im Stie­genhaus. Maria Köstlinger und Sona MacDonald sind begeistert von dem gemeinsamen Interviewtermin, denn obwohl sie beide schon lange im gleichen Ensemble spielen, treffen sie einander seltener, als man glauben möchte. Den Optimismus lassen sie sich auch in die­sen schwierigen Zeiten nicht nehmen.

look!: Wie geht es Ihnen?

Maria Köstlinger: Unsere Theater­situation ist ganz besonders schwierig. Wir tun alles, damit der Lappen hoch­ geht, aber irgendwann ist auch Feier­abend. Es ist ein Irrsinn für uns alle.

Sona MacDonald: Man probt für eine Premiere, die dann krankheitsbedingt doch nicht stattfindet. Es ist ein stän­diges On-­Off, das ist sehr anstrengend.

Warum spielt man gerade jetzt ein Stück mit so einem Riesenensemble?

MacDonald: Für unseren Direktor Herbert Föttinger ist „Leopoldstadt“ nach „Die Reise der Verlorenen“ ein weiteres großes Herzensprojekt, und es ist ja die deutschsprachige Uraufführung. Wir versuchen, in kleineren Gruppen zu arbeiten, nur so geht das im Moment.

Köstlinger: Man darf nicht aufhören, diese grauenvolle Geschichte zu erzählen. Das ist für die Menschheit, für die Jugend, für uns alle wichtig, damit sie nie wieder passiert. Und es gibt Menschen, die in den letzten Monaten wieder Dinge sagen, wo man wirklich fassungslos ist.

Das Stück behandelt eine große Tragödie, aber es hat auch wahnsinnig viel Humor ...

Köstlinger: Unglaublich tollen jüdi­schen Humor! Es gibt ganz viele groß­artige, wirklich lustige Stellen.

MacDonald: Wir bemühen uns, diesen wahnsinnig intelligenten Witz herauszuholen.

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"Auch weil es gerade insgesamt auf der Welt schwer aussieht, muss man trotzdem eine Hoffnung haben", so Maria Köstlinger. © Stefan Diesner

Gretl ist Christin, aber mitunter jüdischer als die anderen.

Köstlinger: Im Laufe des Stücks interessiert sie sich immer mehr für das Judentum. Sie ist aber eine sehr moderne Frau und scheut sich nicht, sich diesen jungen Mann zu nehmen, obwohl sie ihren Mann liebt. 

Rosa ist eine der wenigen Überleben­ den und kehrt nach Wien zurück, um Gretls Porträt zurückzuholen. Eine späte Revanche?

MacDonald: Sie fühlt sich schuldig, dass sie es nicht geschafft hat, diese Familien nach Amerika holen zu kön­nen. Es ist schon eine Art Wiedergut­machung, aber Besitz kann Menschen nicht zurückbringen.

Das Stück ist in Wien angesiedelt und wird nun in Wien aufgeführt. Das ist vermutlich anders als in London?

Köstlinger: Es war ein großer Erfolg in England, aber die Engländer spie­len es sehr britisch, es gibt nicht dieses Wiener Flair.

MacDonald: Ich bin stolz darauf, dass wir das hier in Wien spielen. Manch­mal müssen die Stücke näherrücken, die müssen etwas mit uns anstellen.

Was wollten Sie als Kind werden?

Köstlinger: Ich bin ein typisches The­aterkind, mein Vater war Opernsänger. Ich saß schon als Kind entweder auf der Seitenbühne, was jedes Mal ein Ereignis für mich war, oder eben in der Loge und habe diese Theaterluft inhaliert.

Sind Sie musikalisch?

Köstlinger: Ja, aber ich habe nicht dieses großartige Gesangstalent. Ich hätte immer wahnsinnig gerne gesun­gen, ich liebe die Musik und das Musiktheater.

Sie haben nie eine Schauspielaus­bildung gemacht. Fehlt Ihnen etwas?

Köstlinger: Ich habe unglaublich viel gelernt in meinem Leben, und in der Praxis lernst du besonders viel. Das bringt dich weiter, aber wenn du eine Ausbildung machst, kannst du dich in einer geschützten Atmosphäre ganz anders ausprobieren, diese Momente hatte ich natürlich nicht. Wenn du sofort in den Beruf einsteigst, musst du liefern und bist sofort den Kritikern ausgesetzt.

Sie sind einem breiten Publikum aus den „Vorstadtweibern“ bekannt. Wel­che internationale Produktion würde Sie reizen?

Köstlinger: Ich darf jetzt bei „Vienna Blood“ dabei sein, was mich sehr freut. Mich fasziniert aber alles, was aus Skan­dinavien kommt. Auf Netflix kann ich mir da auf Schwedisch alles reinziehen.

Welches Motto passt zu Ihrem Leben?

Köstlinger: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Ich habe einen gro­ßen Positivismus in mir, einen großen Lebenshunger, der mich weitertreibt. Man spürt auch nach Schicksalsschlägen, dass sie uns ein Stückchen weiterbringen oder ein wenig weiser machen.

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"Ich möchte jungen Frauen Mut machen, den Mund aufzumachen" - Sona MacDonald. © Stefan Diesner

Wie geht es Ihnen in Ihrer Patch­work-­Familie?

Köstlinger: Ich habe dauernd in Patchwork-­Familien gelebt. Das Wissen, wie wichtig es ist, zusammenzuhalten und einander zu lieben, ist noch ein Stück größer geworden. Ich bin wie ein Border Collie, der alle zusammenhalten möchte. (lacht)

Was war das Mutigste in Ihrem Leben, das Sie je gemacht haben?

Köstlinger: Trotz des großen Wun­sches, Mutter zu werden, ist es trotzdem eine meiner größten Mutproben gewesen. Denn das ist schon eine sehr große Auf­gabe und man will es ja gut machen. Jetzt werde ich 50, meine Tochter ist 21, und ich sehe so viel auf dem Präsentierteller, Gelungenes und nicht so Gutes.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf ?

MacDonald: Dass Wandel passiert. Viele Leute glauben, weil wir so viel gespielt haben, wissen wir, wie es geht. Ich wollte es in meiner Jugend immer allen recht machen, und ich lerne jetzt, vorsichtig „Nein“ zu sagen. Ich bin har­moniesüchtig und möchte nicht undank­bar sein. In diesem Haus ist die Offenheit da, dass man Dinge auch aussprechen kann, das möchte ich jungen Frauen mit­geben. Bitte macht den Mund auf.

Wer ist Ihre größte Inspiration?

McDonald: Leute, die mutiger ihren Mund aufmachen, als ich es kann. Alle, die gerade jetzt in Gefahr sind. Das geht in unser Innenleben, und ich finde es wichtig, wenn wir das auch äußern. Ich mag nicht immer in einer Gesellschaft leben, wo dieser Perfektionismus herrscht.

Köstlinger: Unerträglich!

MacDonald: Das muss bitte aufhören, und eine Zeit des neuen Nachdenkens ist angebrochen, darüber bin ich sehr froh.

Was bedeutet Musik für Sie?

Beide: Alles!

Köstlinger: Als ich jung war, gab es überhaupt nie einen Moment, wo ich keine Musik anhatte. Heute versuche ich, wieder bewusst Musik zu hören, nicht nur beim Frühstück, wo Ö1 Pflicht ist.

Können Sie sich ein Projekt vorstel­len, auch musikalisch, das Sie gemein­sam machen?

Köstlinger: Ich bin einer der größten Fans von Sona MacDonald, weil sie groß­artige musikalische Geschichten erzählt.

MacDonald: Unsere Passion ist, dass wir Lesungen in Kombination mit Musik machen. Wenn ich keinen Text mehr lernen kann, dann mache ich einfach nur mehr Lesungen. (lacht)

Köstlinger: Ich liebe es auch. Du ver­steckst dich nicht in einer Rolle. Das ist ein anderes Miteinander.

Worauf freuen Sie sich nach der Spielzeit?

Köstlinger: Ich werde im Sommer einige Lesungen machen. Und auch etwas Tolles zu meinem 50er in Skandinavien.

MacDonald: Ich freue mich auf den Tag, wo die entzückenden Menschen, die ins Theater kommen, nicht mehr mit Masken da sitzen müssen.

RÜCKKEHR ZU DEN WURZELN

Das monumentale neue Stück „Leopoldstadt“ von Theaterlegende Tom Stoppard wird in der Übersetzung von Daniel Kehlmann erstmals in deutscher Sprache aufgeführt. Mit 25 SchauspielerInnen und fünf Kinder­rollen wird das wechselvolle Schicksal der Textilfabrikantendynastie, der groß­bürgerlichen Familie Merz, über vier Generationen erzählt, das direkt mit der unheilvollen Geschichte Österreichs verwoben ist.

28. April 2022, 19.30 Uhr, Theater in der Josefstadt