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Lifestyle | 22.08.2022

VON ROSEN UND GURKEN

Im frühsommerlichen Schottland durften wir hinter die Kulissen der eindrucksvollen Hendrick's Destillerie blicken und sogar Gin-Mastermind und Powerfrau Lesley Gracie persönlich kennenlernen. Zwischen künstlerisch und architektonisch beeindruckenden Elementen bekamen wir spannende Einblicke in das Labor, das Handwerk der Gin-Destillation und die wundersame Welt von Hendrick's.

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Sie ist studierte Chemikerin, Naturliebhaberin und das Mastermind hinter dem weltberühmten Hendrick's Gin: Lesley Gracie - unsere Gastgeberin im "Hendrick's Gin Palace". © William Grant & Sons

STEPPING INTO WONDERLAND

Es liegt der Geruch des Meeres in der Luft, als wir an einem sonnig-milden Sommertag im schottischen Girvan ankommen. Vom hübschen viktorianischen Garten, welcher ein großes Palmenhaus umsäumt, sieht man die Ausläufer des Atlantiks zwar nicht, die salzig-kühle Brise verrät aber, dass wir nur einen Steinwurf weit entfernt sind. Einer von vielen Aspekten, die diesen Ort - den vor wenigen Jahren neu errichteten "Hendrick's Gin Palace" am Gelände der William Grant & Sons Destillerie - so besonders macht. Aus den Bars dieser Welt nicht wegzudenken ist Hendrick's Gin so etwas wie der Platzhirsch unter den allseits bekannten Spirituosen und ist als Unternehmen in Sachen Marketing zur Perfektion herangereift. Ein Grund mehr, den Ursprung des Gins in den ikonischen Apothekerflaschen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Direkt am schweren Eingangstor werden wir von Chef-Destillateurin Lesley Gracie empfangen. Die unscheinbare kleine Dame mit beinahe bodenlanger grauer Haarpracht ist das Mastermind hinter Hendrick's Gin. Vor über 20 Jahren wurde die studierte Chemikerin und gebürtige Engländerin vom Urenkel des Firmengründers William Grant persönlich mit der Kreation eines Gins beauftragt. Ein smarter Schachzug, denn wer könnte sich besser mit der Extraktion, Kombination und Verarbeitung von Essenzen und Aromen besser auskennen als eine Chemikerin? Es war aber eine Anfrage, die Gracie zunächst verwunderte - zu Recht. Denn Gin war zu dieser Zeit nicht gerade eine etablierte Spirituose mit High-End Bar Potenzial, und Gin & Tonic bei Weitem kein Trendgetränk. Im Grunde war Gin historisch gesehen ein Arbeiterklasse-Schnaps, bereits im 18. Jahrhundert im Raum London in großem Stil billig destilliert. Aber Lesley Gracie kreierte in ihrem top-ausgestatteten Labor einen neuen und außergewöhnlichen Zugang und vollendete das aus sorgfältig ausgewählten Basiskräutern wie Wacholder und Engelwurz hergestellte Destillat mit der richtigen Menge an Essenzen aus Gurke und Rosenblättern. So wurde die Legende Hendrick’s geboren, die schon bald die ikonische Gurke zum ihrem inoffiziellen Markenzeichen machte. Heute ist Lesley Gracie immer noch der Kopf der international renommierten Produkte und geht in ihrem Labor der Kreation neuer, spannender Limited Editions nach, wie etwa jüngst der Entwicklung des "Neptunia", für welchen sie sich von den Sinneseindrücken der schottischen Küsten inspirieren lies.

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Alice im Wunderland lässt grüßen! Der Dining Room des Gin Palace. © beigestellt

WO BLEIBT DER HUTMACHER?

Das architektonisch beeindruckende Gebäude könnte den Geist der Marke Hendrick's nicht besser widerspiegeln. Nachdem die ursprüngliche Produktionsstätte vor wenigen Jahren zu klein geworden war, setzten die Michael Laird Architekten den Entwurf für das neue Gebäude nach allen Regeln der Kunst um. Der „Palace“ vereint zwei Palmenhäuser in tropischem und mediterranem Klima, welche vom Thymian bis zum Bananenbaum sämtliche Kräuter und Pflanzen für Gracies Laborarbeit bereit halten. In der Mitte werden wir im einladenden und lichtdurchfluteten Dining Room empfangen. Zum Tee versteht sich, und zum hervorragenden Lunch. Zwischen Schachbrettboden, hohen Decken, viktorianischer Teebar, charmanten Art-Déco Elementen und einer noch namenlosen Schildkröte, die genügsam ihre Runden dreht, fühlen wir uns in einer Neuinszenierung von "Alice im Wunderland" angekommen.

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Hier steckt Geschichte drin: in Lesley Gracies Karriere und in den Pot Stills der Destillerie. © William Grant & Sons

GESCHICHTE, GESCHMACK & KÖPFCHEN

Etwas weiter hinten erhebt sich das Herzstück des Gebäudes. Unter kunstvoll gestalteten Deckenfenstern, welche dem offenen, hohen Raum die sakral anmutende Symmetrie einer Kathedrale verleihen, stehen jene historischen Brennblasen, in denen das Wesentliche passiert. Insgesamt sechs stockwerkhohe “Pot-Stills” aus unterschiedlichen Jahrzehnten und mit zwei verschiedenen Destillationsprozessen sind für die Herstellung des Gins zuständig, welche sorgfältig und in kleinen Mengen vonstattengeht. Die beiden Stills im Herzen des Betriebs faszinieren auch Historiker: der antike “Bennett” Kupferkessel aus dem Jahre 1860 und der seltene “Carter” aus dem Jahr 1948 führen nicht nur die Herstellung des Gins an, sondern unterstreichen mit ihrer Geschichte zudem die Besonderheit des Ortes. 

Im obersten Stockwerk, direkt neben der Spitze der enormen Kupferkessel, dürfen wir in die Aromen jener sorgfältig ausgewählten Zutaten eintauchen, welche die grundlegende Charakteristik der Gin Rezeptur ausmachen: Wacholder, Engelwurz, Koriander, Schafgarbe, Orangen- und Zitronenschalen, Nelken, Pfefferkörner, Kamille, Veilchenwurzel und Holunder stammen von ausgewählten Produzenten aus aller Welt. Destilliert auf Basis dieser Pflanzenstoffe werden im finalen Produktionsschritt Essenzen aus Gurke und Rosenblättern zugesetzt, welche dem originalen Hendrick’s schließlich sein so ikonisches Profil verleihen.

Die in regelmäßigen Abständen von Kennern mit Spannung erwarteten Limited Editions werden von Chefin Lesley Gracie auf Basis ihres breiten Wissens rund um die Natur, ihrer Aromen und Möglichkeiten eigens kreiert.  Im hauseigenen Labor, das dem Arbeitsplatz einer Drogistin gleicht, und mit Blick auf die Betriebsräumlichkeiten experimentiert sie mit den selbst gezogenen Pflanzen und Kräutern und lässt Kreationen wie etwa den “Amazonia” entstehen - eine fruchtig-tropische Spezialausführung, inspiriert von einer Forschungsreise in den venezolanischen Urwald.

HERZLICHKEIT UND GASTFREUNDSCHAFT 

Das fertige Endprodukt des Destillationsprozesses wird im Zuge des Besuchs natürlich verkostet. Begleitet von unterhaltsamen Anekdoten aus ihrer bereits jahrzehntelangen Karriere teilt Gracie mit uns ihr Wissen und ihre ganz persönliche Herangehensweise in einem historisch anmutenden Hörsaal, der an die Lehrstätten der ersten Medizinstudenten erinnert. Während des typisch schottischen Dinners, welcher den Besuch im Palace stilsicher abrundet, gibt es auch am Ende des Tages noch zahlreiche, von Interieur-Genies handverlesene, Details zu entdecken. Wie etwa die geheime Bar des Gebäudes, deren Existenz bis dahin verborgen war, und die erst ganz zum Schluss ihre Tore für den obligatorischen Absacker öffnet… Stilecht erreichbar durch einen Aufzug mit wolkenverhangenem Himmel, Zeppelin und Gurkentelefon. Very unusual. Chapeau! 

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Kunstvoll und beeindruckend: der Gin Palace aus der Feder der Michael Laird Architekten. © beigestellt