People | 06.03.2022
13 Frauen, die bewegen
"Neue weibliche Vorbilder brauchen neue Bücher“, schreibt Doris Schmidauer, nach eigenen Angaben „Beraterin und Motivatorin“ von Autorin Anna Badora, im Geleitwort zum Buch „Dreizehn Leben“. Und in der Tat haben die 13 Lebensgeschichten, von Autorin Badora so sensibel wie spannend aufgezeichnet, eine eigene Qualität: Sie motivieren dazu, mutig zu sein und über Grenzen zu gehen. Das Interview.
look!: Liebe Anna, was hat dich bewogen, dieses Buch zu schreiben, in dem du 13 Lebensgeschichten außergewöhnlicher Frauen skizzierst? Hast du dir damit auch einen Traum erfüllt?
Anna Badora: Am Anfang habe ich gar nicht an ein Buch gedacht. Irgendwann zwischen dem 2. und 3. Lockdown, ich glaube, es war November 2020, habe ich nur gemerkt, dass ich dringend etwas tun muss, um meine Energie und Kreativität zu behalten. Um mich herum kippte coronabedingt die Stimmung ins Bodenlose. Depression, lähmende Passivität, „Wir können eh nichts machen“- und „Das war’s dann wohl“-Mentalität allerorten. Und dann fragte mich ein Bekannter aus Hamburg, erfolgreicher Ausdauersportler, nach Xandi, Alexandra Meixner: „Sie wohnt doch irgendwo da in deiner Nähe, nicht weit von Wien!“, sagte er, „Diese Wahnsinnige. Die erste Frau, die in einem Jahr zwei Ultrarennen erfolgreich bestritten hat: im Sommer 2019 auf ihrem Fahrrad das Race Across America und zuvor im April das Race Across Australia, wo sie ihren 5. Welt- rekord aufgestellt hat. Und das mit beinah 50! Kennst du sie?“ Ich kannte sie nicht. Über Google fand ich heraus, dass sie als Frauenärztin in einem kleinen Ort im Waldviertel lebt und sich zwischen ihren Weltmeisterschaften intensiv um ihre Patientinnen kümmert – oder auch umgekehrt. Dann erfuhr ich per Zufall von Barbara Imhof, der Weltraum-Architektin, die Behausungen für Mond und Raumstationen entwirft und nachhaltige architektonische Lösungen für die Erde erarbeitet. Und von Edit Schlaffer, die mit ihren "Frauen ohne Grenzen" und "Mütterschulen" weltweit gegen Terrorismus ankämpft. Ich nahm Kontakt zu diesen Frauen auf und wir sprachen miteinander. Das war derart inspirierend und verpasste mir solche massiven Energie-und Motivationsschübe! Die Buch-Idee kam dann von einer guten Freundin.
Nach welchen Kriterien hast du genau diese Frauen ausgesucht? Und was haben sie gemeinsam?
Es sind Frauen von 16 bis 91, mit unterschiedlichen Berufen und Berufungen, aber vielen Gemeinsamkeiten. Wie der üblichen Meinung zum Trotz, dass eine einzelne Person in dieser komplexen, fragmentierten Welt nichts verändern kann, glauben sie alle an die Wirksamkeit ihres Tuns. Sie sind überzeugt, dass man mitunter einfach loslegen muss, auch wenn man das Ende noch nicht überblickt, einfach machen. Sie glauben an das WIR, gegen Risiken, Widerstände, Rückschläge, Gefahren etwas zu tun, aber mit der Chance, ihre Utopien umsetzen zu können, für die konkrete Verbesserung der Lebenswelten anderer. Sie sind alle unnachgiebig und konsequent in der Verfolgung ihrer Ziele; um sie zu erfüllen, sind sie auch bereit, ihre eigenen Interessen in den Hintergrund zu stellen und ihr Leben ggf. komplett umzukrempeln.
Wie haben die Interviews mit „deinen“ Frauen stattgefunden? Immerhin ist das Buch in einem Pandemie-Jahr entstanden.
Einige Interview-Partnerinnen habe ich live getroffen, manche mehrmals, mit anderen habe ich gezoomt und telefoniert. Die Pandemie hat bei vielen eine ungute Nervosität ausgelöst, ein Gefühl, etwas zu versäumen, was gerade angepackt werden müsste. Aber wahrscheinlich hätte ich ohne Pandemie auch niemals alle meine Wunschfrauen zum Interview bewegen können, weil sie irgendwo auf der Welt aktiv gewesen wären und sich nicht die Zeit genommen hätten, mir ausführlich über sich zu erzählen und damit auch über ihr eigenes Leben zu reflektieren und sich zu besinnen.
Was hast du bei den Gesprächen gelernt? Bzw. was hast du dir für dich mitgenommen? Gibt es ein Fazit, zu dem du gekommen bist, nachdem du alle Interviews gemacht hast?
Mir wurde bewusst, dass es eine große Anzahl spannender Frauen aller Altersgruppen in Österreich gibt, mit äußerst ungewöhnlichen Biografien, von der die breite Öffentlichkeit meist wenig erfährt. Und dass auch ich, in meiner Theaterblase als Intendantin und Regisseurin, viel zu wenig davon wusste: von diesem Reichtum an ungewohnten Perspektiven, Zugängen, möglicherweise realisierbaren Utopien, die so viele unterschiedliche Ansätze für die Zukunft in sich bergen. Anscheinend gibt es einen Gegenentwurf zu dem üblichen Gejammere über die Zersplitterung unserer Gesellschaft in kleinteilige Interessensgruppen und die Isolierung der Einzelnen, auch wenn er nicht besonders stark beworben und vermarktet wird. Nach solchen Gegenentwürfen möchte ich jetzt aktiv suchen.
Du selbst bist eine erfolgreiche Frau mit einer außergewöhnlichen Karriere. Bist du deinen Weg als Künstlerin und Intendantin mit Leichtigkeit gegangen oder wurden dir Steine in den Weg gelegt? Und wenn ja, eher von Männern oder von Frauen?
Es war ein äußert steiniger Weg. Als ich auf Anregung von Barbara Kisseler, der späteren Hamburger Kultursenatorin, 1996 zur Generalintendantin des Düsseldorfer Schauspielhauses berufen wurde, war die Verblüffung allerseits groß. Damals gab es in Deutschland noch keine Frau an der Spitze eines Theaters dieser Größenordnung: Es gab dafür keine Vorbilder und keine Erfahrungswerte. Und was man nicht kennt, bekämpft man. Meine Frage an einen hohen Politiker in Düsseldorf, der mir das Leben sehr schwer machte, ob er Probleme mit mir hat, weil ich eine Ausländerin bin, beantwortete er unumwunden: „Mit Ihnen als Ausländerin habe ich keine Probleme, aber als Frau auf dem Intendantenstuhl kann ich Sie nicht ernst nehmen. Ihr seid doch für so etwas naturgemäß viel zu weich.“
Glaubst du an die Kraft von Frauensolidarität? Oder stehen sich Frauen manchmal selbst im Weg?
Beides. Bei der Pressekonferenz in Düsseldorf, wo man mich als Intendantin vorstellte, kam die erste Frage von einer Journalistin. Sie wollte wissen, nicht ohne Ironie, wie ich es als Frau auf dem Thron von Gustaf Gründgens aushalte. Andererseits – ohne die Unterstützung eines kleinen, informellen „Frauenklubs“ – hätte ich diese Zeit beruflich höchstwahrscheinlich nicht überlebt und sicher letztlich nicht so erfolgreich meistern können. Acht hochkarätige Frauen in Spitzenpositionen, undemagogisch, souverän und wirksam, haben mich intensiv gecoacht und mit ihrem Einfluss unterstützt. Es entstanden dabei Freundschaften, die bis heute halten.
Wenn Frauen es schaffen, die eigenen Ängste und Unsicherheiten zu überwinden und sich gegenseitig zu helfen, entwickeln sie eine unvorstellbare Wirksamkeit, die den etablierten Männerbünden in nichts nachsteht.
Welche weiblichen Vorbilder haben dich in deinem Leben begleitet?
Im polnischen Alltag war es für junge Mädchen eher schwierig, sich an einem passenden Vorbild zu orientieren: Erfolgreiche, gesellschaftlich etablierte Frauen waren in Tschenstochau, wo ich groß geworden bin, eher die Ausnahme. Und eine dümmliche, sexy Blondine, eine eifersüchtige, zänkische Ehefrau oder eine Monster-Schwiegermutter wollte natürlich niemand von uns werden, auch wenn diese weiblichen Klischees in den Köpfen der breiten Bevölkerung immer noch herumgeisterten. Aber es gab dort auch die allseits verehrte, mehrfache Olympia-Siegerin in Leichtathletik, Irena Kirszenstein. Und in der Schule gab es Geschichten über Madame Curie Skłodowska, die polnische Nobelpreisträgerin. Und da war meine Tante, Schwester meines Vaters, eine in Polen bekannte Schriftstellerin, die noch mit Anfang neunzig Bücher schrieb und mich mit ihrer unbändigen Lebensenergie bis zu ihrem letzten Atemzug zutiefst beeindruckte.
Wie gehst du als kreativer Mensch mit dem Begriff „Ruhestand“ um? Gibt es so etwas für dich – und beim Theater – überhaupt?
Für KünstlerInnen ist das am Theater kein Thema. Im Ensemble arbeitet man quer über alle Altersstufen ohne Pensionsgrenzen. Ich weiß noch, wie unser 19-jähriger Regieassistent in Graz erfolgreich und problemlos mit einer 86-jährigen Schauspielerin sein erstes Regieprojekt auf die Bühne brachte. Ich hatte auch immer Probleme mit Schub- laden, in die man im Laufe des Lebens hineingesteckt wird, wegen dem Geschlecht, dem Geburtsland, dem Alter. Besonders bei runden Geburtstagen, ob 30, 40 oder 60, verpassen einem die Erwartungen seines Umfeldes ein Korsett, in dem man nur noch vorgestanzte Bewegungen ausführen kann. Für mich vermittelt der Begriff „Ruhestand“ ebenfalls eine Einengung, eine unkreative Passivität.
Was wünschst du dir, beruflich und persönlich, von der Zukunft bzw. den kommenden Jahren?
In den letzten beiden Jahren musste ich – pandemiebedingt – meine künstlerischen Pläne für Inszenierungen immer wieder verschieben bzw. aufgeben. Das schmerzt insbesondere, weil ich internationale Projekte mit Partnern der Europäischen Theaterunion verabredet hatte. Viele andere meiner Interessen, die ich durch die extremen Arbeitszeiten am Theater in den letzten Jahrzehnten vernachlässigen musste, werde ich mir jetzt endlich wieder stärker erschließen. Dazu gehört u. a. auch das Schreiben. Und durch unsere Söhne und meinen Ehemann fange ich auch an, mich ein bisschen mit Kryptowährungen und NFTs (Non-Fungible Tokens) zu beschäftigen. Und sonst? Ich bin sehr neugierig, was das Leben für mich noch alles bereithalten wird!