People | 10.03.2021
FRAUEN & IHR LOCKDOWN
"Die Pandemie hat uns mit einer Vollbremsung ins Jetzt katapultiert."
In der ersten Woche des Lockdowns, als von einem Tag auf den anderen sämtliche Konferenzen
und Meetings auf Videotelefonie verlegt wurden, begann Pamela Rußmann verschiedene Personenkonstellationen ihrer Meetings auf dem Bildschirm abzufotografieren – als Dokumentation der Situation.
look!: Wie entstand die Idee zu dem Projekt?
Pamela Rußmann: Mir gefiel die Idee, Porträtshooting über Zoom und Skype zu machen, und auch die Ästhetik der Videokonferenzen. Ich wollte diese besondere Zeit dokumentieren, mit dem Fokus auf Frauen, weil es war sehr schnell klar: Die große Last wird auf den Schultern der Frauen liegen, um das System aufrechtzuerhalten. Homeoffice, Homeschooling, Haushalt, plus die vielen Frauen, die in Supermärkten, Spitälern oder Pflegeeinrichtungen unter enormem
Stress und unter Einsatz ihrer Gesundheit durchhalten mussten. Die Online-Treffen mit den Frauen waren eine Mischung aus Gespräch und Fotografie. Für jede Frau habe ich einen schriftlichen Fragebogen erstellt, die Antworten sammle ich seitdem.
Wie haben Sie und die Porträtierten das Shooting erlebt?
Für viele Frauen war ich die erste Person außerhalb des Haushalts, mit der sie Kontakt hatten. Wir waren wohl alle in einem Zustand von Unsicherheit, Angst, Hysterie, auf Adrenalin. Unsere Leben sind mit einem Mal gestoppt worden. Daher waren diese Shootings wie eine emotionale Aufarbeitung. Die Rückmeldungen waren immer sehr positiv und ich fühle mich inzwischen allen sehr verbunden und bekomme Veränderungen und Neuausrichtungen, aber manchmal auch ihre Verzweiflung und Niedergeschlagenheit mit.
Was vermissen Sie während der Pandemie am meisten?
Menschen. Die Nähe zu meinen FreundInnen. Spüren. Das Umarmen. Das Verweilen in Innenräumen ohne Maske, an Tischen, mit Essen und einem Glas Wein. Lachen. Tanzen. Andere Körper. Die Unbeschwertheit. Ich will einfach
mein Leben wieder zurück. Ja, das ist Jammern auf hohem Niveau, meine Familie und ich sind gut über diese Zeit gekommen. Dafür bin ich enorm dankbar und sehr demütig, was für ein tolles Leben ich habe. Aber das Eingesperrtsein
macht auf Dauer die Seele krank.
Was hat das „Social Distancing“ mit Ihnen persönlich gemacht?
Ich konnte durch die erzwungene Erlebnisarmut den Fokus noch mal stärker auf mich richten und was ich eigentlich
machen will in meinem Leben. Und ich habe durch diese verordnete Entschleunigung und Ausnahmelage gemerkt, wie viel Kraft und Zuversicht in mir steckt.