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People | 08.06.2020

Glück braucht ein reines Herz

Genial. Hubert von Goisern präsentiert seinen ersten Roman. Eine Geschichte über Liebe, Sehnsucht und die Reise zu sich selbst.

Bild Hubert von Goisern Fotograf_Stefan_Wascher.tif
© Stefan Wascher

MULTITALENT.

Wenn er etwas anpackt, dann ordentlich – oder eben gar nicht. Daher hat sich Hubert Achleitner – so sein bürgerlicher Name – für seinen ersten Roman "flüchtig" auch Zeit gelassen. Die Idee hatte der vielfach ausgezeichnete Musiker, Sänger und Weltenbummler schon vor Langem, aber erst jetzt war es soweit, die Geschichte zu Papier zu bringen. Keine leichte Aufgabe, wie der 67-jährige Ausnahmekünstler im Zoom Interview gesteht. „Ja, es gab Phasen, da hab‘ ich mich nicht mehr rausgesehen." Aber dann hat sich der gebürtige Oberösterreicher, dem Versagensängste wohlbekannt sind, gedacht „da muss ich jetzt durch." Zum Glück, denn der Roman, der von den heimischen Bergen bis nach Griechenland führt, ist herzerfrischend, spannend und philosophisch:

Eine Frau bricht aus. Maria ist verschwunden. Seit Monaten hat Herwig, mit dem sie seit dreißig Jahren verheiratet ist, nichts von ihr gehört. Sie hat ihren Job gekündigt und sein Auto mitgenommen: ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass sie noch lebt. Doch was ist passiert mit ihrer Ehe, ihrer Liebe und ihrem Leben?

Sehr vielfältig. Hubert von Goisern, der seit 2018 auch einen Kulturpreis an junge Künstler vergibt, legt demnächstauch sein neues Album „Zeiten und Zeichen" mit 17 sehr unterschiedlichen Songs vor. Spätestens Anfang September solle das neue Album rauskommen, sagt er. „Der beste, ausgereifteste und spektakulärste Hubert von Goisern“, heißt es im Pressetext. Dem stimme er zu, denn so konsequent und radikal sei er zuvor noch nie gewesen.

 

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GRANDIOS. Eine hochemotionale Reise von den heimischen Bergen nach Griechenland. Erschienen bei: Zslonay Verlag. ISBN 978-3-552-05972-6

DAS INTERVIEW.

look: Ihr Roman ist in einer sehr schönen, zärtlichen Sprache geschrieben. Fast so, als hätte ihn eine Frau verfasst. Fiel es leicht, sich auf diese Weise auszudrücken?

Hubert von Goisern: Ich wollte von vornherein aus einer weiblichen Sicht schreiben. Daher freue ich mich sehr, dass Sie es empfunden haben, der Roman hätte von einer Frau sein können. Ich mag die weibliche Seite in mir, sie ist vielleicht die wirkliche Künstlerin (schmunzelt). Ich pflege sie und lebe gut mit ihr. Ich mag auch die männlichen Seiten bei Frauen. Mir gefällt, wenn Frauen zielgerichtet sind und genau wissen, was sie wollen. Nur mit Machos tue ich mir schwer.

Die Geschichte Ihres Romans handeltvon Liebe, Sehnsucht, der Flüchtigkeit des Glücks und auch der Reise zu seinem Inneren. Kann man es je schaffen, sich selbst zu finden bzw. zu erkennen?

Ja, natürlich, aber man verliert sich dann auch wieder (lacht). Ich habe mich schon oft gefunden und gespürt, jetzt bin ich in meiner Mitte, und habe mich mit dem ganzen Universum verbunden gefühlt. Aber bevor man bis zehn gezählt hat, ist dieses Gefühl wieder weg. Für diese Zustände der Erleuchtung – wenn man sie so nennen möchte –, kann man etwas tun. Aber es ist kein Zustand, in dem man dann für den Rest seines Lebens verharrt.

Und jetzt? Haben Sie das Gefühl, angekommen zu sein – oder wieder auf der Reise?

Im Moment fühle ich mich sehr angekommen. In ein paar Tagen ist die Arbeit am Album abgeschlossen. Ein Meilenstein, das zu Ende gebracht zu haben, das Buch ist herausgekommen, und nun freue ich mich auf einen Sommer, in dem ich meiner Phantasie freien Lauf lassen kann.

Wer hat Ihr Buch als Erster gelesen?

Meine Frau (Hildegard, Pädagogin, mit der er seit mehr als 30 Jahren verheiratet ist; Anm.). Am ersten Tag hat sie nichts gesagt, und ich habe auch nicht gefragt, weil ich sie nicht drängen wollte. Und am zweiten Tag sagte sie: „Mei, ich bin so froh, dass es mir gefällt!“ (Lacht). Sie hat nämlich etwas Kompliziertes erwartet und hatte Angst, dass es sehr verschwurbelt ist. Weil sie nämlich oft bei kurzen Artikeln, die ich ihr zum Lesengebe, meint: „Kannst du nicht aus diesem einen Satz drei machen, damit man es gleich beim ersten Mal versteht?“ Ich musste daher beim Roman aufpassen,weil die Handlung schon so komplex war,dass nicht auch noch die Sätze kompliziert sind, um das Buch zu dastemmen.

In „flüchtig“ sind auch viele Lebensweisheiten zu finden. Sätze wie „Glückbraucht ein reines Herz“ beschreiben auch Sie ... ?

Ja, das ist meine Erfahrung. Ich kannmit einem dunklen Herzen nicht glücklich sein.

Lisa, die Erzählerin Ihres Romans und ein Hippie, erklärt ihre Aufgabe auf diesem Planten damit, der Welt Liebe zu geben. Bräuchten wir mehr Lisas?

Es gibt bereits sehr viele Lisas. Wir unterschätzen, wie viele tolle Menschen existieren, die ein unauffälliges aber wunderbar vorbildliches, altruistisches Leben führen und diese Welt in vielfacher Hinsicht bereichern. Man hört leidernur viel mehr von den Idiotenals von den wahrhaftigen Menschen, weil die Deppen einfach lauter sind und weil es in den Medien mehr Umsatz bringt, wenn man über sie berichtet. Die Mehrheit ist aber anders.

Wie bewahrt man sich diesen Idealismus und den Glauben an die Menschheit?

Da spielen sicher meine Kinder (Laura, 26, und Niko, 31; Anm.) auch eine Rolle, weil man eine andere Generation heranwachsen sieht und erkennt, dass die einfach weiter sind als man selbst. Man ist erfahren, hat viel gesehen und kann vieles relativieren, aber es brauchtauch Demut – und dabei spielen die Kinder eine zentrale Rolle, die einem gnadenlos den Finger in die Wunde legen.

Apropos Kinder. Wird in Ihrer Familie der Vatertag gefeiert?

Meistens war ich nicht da, oder ich war daheim und die Kinder nicht, aber grundsätzlich ein verzichtbarer Tag.

Stichwort Corona. Wie haben Sie diese Phase erlebt?

Ich kann dieser Krise echt etwas abgewinnen, weil sie uns zwingt, kreativ zu sein, mit dem, was gerade ist. Corona hat uns auch ein wenig runtergeholt und eine Wertschätzung vermittelt für das, was man hat, und nicht für das, was man gern hätte. Ob das bleibt? Es ist so wie in der Beziehung zwischen Herwig und Maria: Wenn man nichts dafür tut, geht das Glück weg.

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© Stefan Wascher