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People | 13.10.2020

WAS WIRKLICH ZÄHLT

Sie sind die wahren Heldinnen: Im Buch „Mutmacherinnen“ sprechen zwölf Frauen offen über ihr Leben mit Krebs – über ihre Ängste, Sorgen und Schmerzen, aber auch über Lebensfreude, Demut und Dankbarkeit. look! bringt Auszüge aus den kraftspendenden Erzählungen.

"Verlier nie dein Lachen und die Hoffnung“, ist das Motto von Sonja. Sie hat metastasierten Brustkrebs, bei der Erstdiagnose war ihr Sohn zweieinhalb Jahre alt. Trotz ihrer unendlichen Leidensgeschichte hat sie den Lebensmut nicht verloren. – Die Erzählungen der zwölf Frauen mit Brustkrebs, die von Krebshilfe-Geschäftsführerin Doris Kiefhaber (krebshilfe.net) für das Buch „Mutmacherinnen“ anlässlich der Pink-Ribbon-Aktion 2020 einfühlsam aufgezeichnet wurden, gehen unter die Haut. Sie relativieren alles, sie rücken alltägliche Porblemchen, die wir haben, wieder auf den richtigen Platz. „Mutmacherinnen“ ist ein heilsames Buch, das Kraft gibt. Das look!-Team verneigt sich vor diesen bewundernswerten Frauen.

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Andrea

2002 ließ ich mich vom Vater meiner drei Söhne scheiden. Ich stand vor dem Nichts, war mit den drei Kindern alleine. Das war echt hart, aber ich kämpfte mich durch.

2005 erhielt ich die Diagnose Schilddrüsenkrebs. Ich wurde rasch operiert, erhielt eine radioaktive Therapie, danach war das „erledigt“. Doch am 13. Juli 2011, just an meinem 48. Geburtstag, erhielt ich meine erste Diagnose „Brustkrebs“. Ein riesiger Schock, aber ich hatte keine Angst, dass ich sterben muss. Es folgte die Operation, danach Chemotherapie und 30 Bestrahlungen. Ich weiß noch gut, dass mich mein damaliger Mann am Abend meiner ersten Chemo alleine ließ. Das hat sehr weh getan, gleichzeitig aber auch meinen Entschluss gestärkt, dass ich lieber alleine durch die Erkrankung gehe als mit einem Mann, der mich betrügt und sich nicht um mich kümmert. Ab der dritten Chemo fingen zum Teil heftige Nebenwirkungen an. Es war phasenweise eine echte Qual.

Die Jahre vergingen und ich war regelmäßig bei allen Kontrolluntersuchungen. Ich war zuversichtlich, dass das Thema abgeschlossen ist. 2016 lernte ich meinen jetzigen Lebensgefährten kennen, ein ganz wunderbarer Mann. Doch wenig später fingen die Rückenschmerzen an. 

Nach zahlreichen Untersuchungen der Befund, der mir den Boden unter den Füßen wegzog: der Krebs ist zurück, Knochenmetastasen. Da hatte ich zum ersten Mal Angst. Auch die Schmerzen waren sehr massiv. Ich habe bitterlich geweint, meinem Lebensgefährten ging es genauso. Aber mit ihm hatte ich einen Mann, der mir Hilfe und Unterstützung gab.

Ende 2018 lernte ich beim Krebshilfe-Workshop „Face
it with a smile“ viele Frauen mit metastasiertem Krebs kennen. Eine Gruppe davon ist zu den „Meta Mädels“ geworden und ich möchte keinen Tag mit den Mädels missen. Mein Rat an alle Frauen mit derselben Diagnose: Kommt in unsere FB-Gruppe „Metastasierter Brustkrebs Österreich“ oder tauscht euch wo und wie auch immer mit anderen Betroffenen aus.

Ich hab‘ mich oft gefragt, warum ICH ständig Krebs bekomme. Aber das bringt nichts. Man muss es akzeptieren und sich arrangieren. Niemand hat daran Schuld.

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Christa 

Meine erste Krebsdiagnose erhielt ich 1996, ich war 39 Jahre alt: Gebärmutterhalskrebs. Die Jahre vergingen und für
mich war das Thema Krebs eigentlich abgeschlossen. Doch 2003 die Diagnose: Brustkrebs, zwei Tumore in der linken Brust. Nach der Operation schaute ich gleich nach, ob meine Brust noch da war. War sie. Und darüber freute ich mich sehr. Es folgte eine mehrwöchige Strahlentherapie.

2006 fühlte ich mich schwindlig und erschöpft und brach eines Tages im Badezimmer zusammen. Die Diagnose: Krebs zwischen Magen, Zwölffingerdarm, Bauchspeicheldrüse und Galle. Und Darmkrebs auch noch. Mein Mann erzählte mir viel später, dass er während meiner Zehn-Stunden-OP ein Gespräch von Ärzten mitangehört hatte, in dem sie der Meinung waren, dass ich das Spital nicht lebend verlassen werde. So ernst war es. Aber siehe da: ich BIN aufgewacht. In den ersten drei Wochen danach verlor ich 40 Kilo, weil ich ständig an Übelkeit litt. Nach der 16. Chemo mussten wir abbrechen, weil ich meine Finger und Zehen nicht mehr spürte.

2007 wurden bei einer Kontrolluntersuchung in der rechten Brust zwei Tumore entdeckt. Wieder brusterhaltende Operation und Strahlentherapie. Wieder freute ich mich, als ich munter wurde, dass meine Brüste noch da waren. 2009 fanden sie „etwas“ in der Lunge. Es folgte eine Chemo. Mitten in dieser Zeit hatte mein Mann einen Herzinfarkt.

2015 wurden bei einer Kontrolluntersuchung in der rechten Brust zwei Tumore, in der linken Brust einer und je einer auf den Eierstöcken gefunden. Wieder Operation, beide Brüste und beide Eierstöcke wurden entfernt und von einem Tag auf den anderen war ich im Wechsel. Das und die anstrengende Chemo setzten mir sehr zu, ich kollabierte oft.

In all den Jahren meiner „Krebs-Geschichte“ hatte ich großes Glück. Etwa mit meiner Familie und mit meiner besten Freundin Thes, die viele bange Nächte mit mir verbrachte. Auch meine Enkerl spielen eine große Rolle. Ohne sie wäre vieles anders gewesen. Ich wollte da sein, wenn sie aufwachsen. Ich erklärte ihnen, warum ich keine Haare habe und keine Brüste. Laurin, damals fünf, wollte sogar einen Kleber efinden, mit dem man Brüste wieder ankleben kann und die weich sind, damit er gut auf ihnen liegen kann.

Bis heute sehe ich das Glas immer halb voll und nicht halb leer. Ich habe Grenzen, aber vieles geht immer noch! Und ich denke mir jeden Tag in der Früh, wenn ich aufwache: Jö, ich bin noch da. Obwohl das Aufstehen...

 

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Sonja

Es war im Mai 2016. Ich war damals 42 Jahre alt, glücklich verheiratet, hatte zwei Kinder im Alter von 10 und 14 Jahren und führte ein tolles Leben. Eines Tages spürte ich eine Veränderung an meiner Brust. Das niederschmetternde Ergebnis lautete Brustkrebs. Mein Mann Markus war beim Diagnosegespräch dabei. Ich nahm seine Hand und sagte leise: „Bitte übernimm du – ich kann das nicht“. Alles lief wie in einem Film ab. Ich habe nicht wirklich realisiert, was da vorgeht. Erst als der Arzt die Worte „Perücke“ und „Kühlhaube“ aussprach, ist mir langsam bewusst geworden: ICH HABE KREBS. Als wir das Krankenhaus verließen, gingen wir in einen Park und fielen uns in die Arme.

Der erste Teil meiner Therapie war eine Chemo mit acht Zyklen. Die Nebenwirkungen wurden immer schlimmer. Zum Schluss lag ich zwischen den Therapien fast nur mehr im Bett und zu guter Letzt musste ich mit einer doppelten Lungenentzündung ins Krankenhaus. Es war schrecklich, aber ich hatte die Chemo geschafft. Nach der anschließenden Masektomie und der Strahlentherapie war ich aus ärztlicher Sicht gesund, aber so fühlte ich mich überhaupt nicht. Irgendetwas ließ mich nicht zur Ruhe kommen.

Im Oktober 2017 machten mir leichte Rückenschmerzen zu schaffen. Ich erhielt die niederschmetternde Diagnose: Metastasen in den Knochen und in der Leber. Für mich war in diesem Moment klar: Jetzt musst du sterben, du musst deinen Mann und deine Kinder viel zu früh verlassen. Der Gedanke daran war unerträglich und er nahm mir die Luft zum Atmen. Bei vielen Gesprächen ertappte ich mich dabei, dass ich mich bereits verabschiedete. Mir war klar: Ich brauche Hilfe!

Ich wandte mich an die Krebshilfe. Seither bin ich regelmäßig in Betreuung. Ich wurde auf Claudia Altmann-Pospischek, ebenfalls Patientin, aufmerksam gemacht. Ich lernte sie kennen und war begeistert: sie strahlte so viel Zuversicht und Mut aus, das beeindruckte mich sehr. Ich trat dann der FB-Gruppe „Brustkrebs Österreich“ und „Metastasierter Brustkrebs Österreich“ bei. Ich nahm am Krebshilfeprojekt „Face it with a Smile“ teil und fasste neuen Lebensmut. Ein richtiger Wendepunkt war aber die Gründung der Gruppe „Meta Mädels“, Frauen mit metastasiertem Brustkrebs. Auch wenn wir chronisch krank sind, sind wir Mädels, die die gleichen Probleme wie gesunde Frauen haben und etwa auf Pink und Glitzer stehen. Viele denken sich vielleicht, dass wir ein „Trauerverein“ sind, aber das ist überhaupt nicht der Fall, im Gegenteil. Es wird viel gelacht, manchmal auch geweint, es gibt ein riesiges Wissen über die Krankheit und mögliche Therapien und ganz viele „Sternentage“ – so bezeichnen wir unsere Treffen und Projekte.

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Marcela

Als ich die Diagnose Brustkrebs erhielt, stand ich unter Schock. Und wenn ich heute darüber nachdenke, empfinde ich eine tiefe Trauer, weil man niemals damit rechnet, dass einen selbst so etwas trifft. Man steht mitten im Leben, hat kleine Kinder und Familie und plötzlich muss man sich mit Gedanken über den Tod auseinandersetzen. Erschwerend kam bei mir dazu, dass ich natürlich sofort an meine Mutter denken musste, die dem Krebs unterlag, obwohl sie selbst erst gerade 44 Jahre alt war.

Es war 2016, meine Zwillinge, zwei Frühchen, waren damals fünf Jahre alt, und mein Mann und ich dachten erleichtert, dass wir nun wohl das Ärgste überstanden haben.
Ich fühlte mich zwar sehr erschöpft, aber so wie alle Mütter, die Kinder und Haushalt haben, dachte auch ich, dass meine Erschöpfung wahrscheinlich davon kommt, weil ich einfach so viel um die Ohren hatte. Wenn ich in der Früh aufstand, hatte ich das Gefühl, den Tag einfach nicht zu schaffen. Eines Tages ertastete ich etwas auf meiner Brust. Verdacht „bösartig“. Die Reise begann. Eine OP stand im Raum. Im Nachhinein gesehen ist man überfordert, denn die Meinungen der Onkologen gehen auseinander.
Der eine sagt, es wäre gut, wenn man nicht gleich operiert und den Tumor während der Therapie beobachtet, der andere ist für eine Operation. Ich folgte meinem Instinkt und bin froh, dass wir uns für eine sofortige Ope
ration entschieden hatten, weil der Tumor aggressiv war. Doch er hatte nicht gestreut. Ich war so glücklich, dass ich dem Arzt um den Hals gefallen bin. Ich bekam sechs Zyklen Chemotherapie. Mein Mann hatte große Angst um mich, aber gleichzeitig war er auch immer optimistisch. Ich spürte deutlich, wie sehr er mich liebt. Er hat mir von einem Tischler eine Tafel mit der Aufschrift „Alles wird gut“ machen lassen, die mir immer Zuversicht und Kraft geben sollte.

Nach der Chemotherapie war ein Monat Pause, danach 33 Bestrahlungen. Da bei mir leider eine genetische Veranlagung vorlag, wurden mir im Herbst 2017 die Eierstöcke und beide Brüste entfernt. Damals war ich 37 Jahre alt und von einem Moment auf den anderen im Wechsel. Das war psychisch und körperlich unheimlich belastend und bis heute sind die Wechselbeschwerden sehr groß.

Die Erkrankung und die Therapien haben mich sehr verändert. Meine Lebensfreude, die Leichtigkeit und Spontanität werden immer wieder von der Angst, dass der Krebs zurückkommt, überlagert. Doch allen, die gerade mit einer Krebsdiagnose konfrontiert sind, möchte ich sagen: Nicht aufgeben! Betrachtet jeden Tag als Geschenk. Ja, das Leben ist endlich und wir sind – im Unterschied zu gesunden Menschen – ständig mit der Endlichkeit konfrontiert. Aber allen Menschen ist gemein, dass sie nicht wissen, wann das Ende kommt. Deshalb lasst uns einfach für jeden Tag dankbar sein. Lassen wir die Angst und Zweifel nie größer werden als unsere Lebensfreude.

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Gabriele

Ich war eine ziemlich flotte, schlanke Frau, liebte High Heels und war mit mir rundum zufrieden. Ich fühlte mich unwiderstehlich. Und unverwundbar. Im November 2006, kurz vor meinem 50. Geburtstag, erhielt ich nach einer Routine-Mammografie den Befund: Brustkrebs. – Operation, Chemotherapie, Bestrahlungen und Antihormontherapie. Mein Sohn war damals 16, ich sagte ihm ehrlich, was los ist: „Ich habe eine schwere Erkrankung, aber wenn die Behandlungen vorbei sind, dann wird das Thema auch abgeschlossen sein.“ Daran glaubte ich auch.

Damals musste ich meinen Beruf als Lehrerin aufgeben. Ich wusste, dass ich es nicht mehr zu hundert Prozent schaffen würde, wie gewohnt zu unterrichten. Diese Einsicht war sehr schmerzhaft, ich hatte Weinkrämpfe und einen Zusammenbruch.

Die Jahre vergingen und ich arrangierte mich mit der neuen Situation, trieb Sport, lernte Italienisch und betreute Flüchtlinge. Doch 2018 der Schock: Tumor in der Brust. Es folgten Operation und Chemotherapie. Anfang 2020 wurde leider im Rahmen der Kontrolluntersuchungen eine Lebermetastase gefunden. Eine neuerliche Chemotherapie folgte. Mittlerweile kann ich wieder Golfspielen und ins Fitness-Studio gehen. Und immerhin werde ich heuer 64. Aber der Schock der erneuten Diagnose sitzt tief.

Durch Zufall hatte ich schon Jahre zuvor Claudia Altmann-Pospischek und ihren Blog auf Facebook entdeckt. Jetzt, mit der Di- agnose „metastasierter Brustkrebs“ konfrontiert, kontaktierte ich Claudia. War ich es, die in der Vergangenheit immer anderen ge- holfen hatte, war ich diejenige, die jetzt Zuspruch brauchte.

Allen, die vielleicht Ähnliches erleben, Empathie vermissen, möchte ich meine tiefe Solidarität bekunden. Ich empfehle euch, psychoonkologische Hilfe anzunehmen und den geschlossenen FB-Gruppen „Brustkrebs Österreich“ oder „Metastasierter Brustkrebs Österreich“ beizutreten. Dort muss man nichts groß erklären. Man findet Empathie und tiefes Verständnis.

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Zorica

Meine Brustkrebsgeschichte begann 2010. Ich war glücklich verheiratet und unsere Buben waren damals drei und acht Jahre. Ich liebte mei- nen Beruf, mein Leben war sehr gut. Bis zu dem Tag, an dem ich bemerkte, dass ein paar Tropfen Blut aus der Brustwarze austreten. Es folgten Un- tersuchungen und das Ergebnis war Brustkrebs. Nach der Operation hatte ich eine Chemothera- pie, anschließend Strahlen- und Antihormonthe- rapie. Aber es war eine Diagnose mit einer ganz guten Prognose. Die nächsten sechs Jahre waren kein Spaziergang, aber ich war zuversichtlich, dass dieses Kapitel meines Lebens hinter mir lag.

2016 der Schock: ein bösartiger Tumor in der linken Brust und Metastasen in der Leber. Meine Söhne waren neun und vierzehn und ich dachte nur: Ich darf nicht sterben. Es folgten 14 Zyklen Chemotherapie und zwei Operationen.

2018 wurden erneut Lebermetastasen fest- gestellt. Ich war am Boden zerstört. Wir starte- ten mit einer neuen Therapie.

Trotz all dieser Hiobsbotschaften und der vielen Rückschläge wollte ich jeden Moment meines Lebens bewusst leben, meine Kinder aufwachsen sehen, mit meinem Mann zu- sammen sein. Es gibt so viele Menschen, die gesund sind und all diese Sorgen nicht haben und doch sind sie total unzufrieden. Es ist nicht einfach trotz einer metastasierten Erkrankung positiv zu denken, doch es geht um meine Le- benszeit und ich will das Beste daraus machen. Es gab natürlich Phasen, in denen ein Aufge- ben im Raum stand. Aber nur kurz. Und da war dieser unbeschreibliche Moment, an dem sich mein jüngster Sohn zu mir ins Bett legte, sich an mich kuschelte und sagte: „Mama, du musst bei uns bleiben“. Das war so unglaublich berührend und unglaublich motivierend. Es war, als würde eine große Portion Lebenswille plötzlich durch meinen Körper fließen.

Doch der Krebsmarathon sollte 2020 leider weitergehen. Im Jänner wurde bei einer Kon- trolluntersuchung eine Metastase in der Wir- belsäule festgestellt. Ich fragte mich, was noch alles kommt, wie ich das alles aushalten soll. Aber es muss weitergehen. Wir entschieden uns für die Bestrahlungen ohne Operation.

Was mir auch sehr geholfen hat, war der Austausch mit anderen Betroffenen. Ich habe viele wunderbare Frauen in den FB-Gruppen „Brustkrebs Österreich“ und in „Metastasier- ter Brustkrebs Österreich“ kennengelernt. Es sind tiefe Freundschaften entstanden. Wir re- den über unsere Ängste und Sorgen, manch- mal weinen wir auch gemeinsam. Aber wir la- chen auch viel und ich liebe es, mit den „Meta Mädels“ unsere Krankheit auch einmal zu ver- gessen und einfach Spaß zu haben.

Zorica verstarb am 24. August 2020, nur wenige Wochen nachdem sie ihre Geschich- te erzählt hat. „Zori“ war ein wunderbarer Mensch. Sie wurde 46 Jahre alt.

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Claudia

Die Diagnose kam 2013 aus dem Nichts – in der glücklichsten Phase meines Lebens. Ich hatte wunderbare Menschen an meiner Seite, ging einem spannenden Job nach. Eines Tages ertastete ich einen Knoten in der linken Brust. Mein winziges Mammakarzinom hatte bereits in die Leber und in die Knochen gestreut. Das alles ohne genetische Vorbelastung und trotz regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen. Mir wurde damals eine Durchschnittsüberlebenszeit von zwei Jahren prognostiziert. Plötzlich war der Boden unter den Füßen weg. Angst, Verzweiflung und Aussichtslosigkeit nahmen mich in Geiselhaft. Ich musste mich damit abfinden, dass es keine Heilung für mich geben würde. Ein kräftezehrender Therapiemarathon mit Operationen, Chemos, Bestrahlungen, Antihormon- und Antikörpertherapien folgte. Als mich die erste Akuttherapie psychisch angeschlagen zurückließ, trat meine Krebshilfe-Betreuerin in mein Leben. Sie schenkte mir wieder Kraft, Mut und Hoffnung und begleitet mich seither.

Im Vorjahr erhielt ich die Folgediagnose „Bauchfellmetastasen“. Als erster Brustkrebspatientin wurde mir im Zuge eines neunstündigen Eingriffs das Bauchfell entfernt, danach gab es wieder Chemotherapie. Mir ist klar, dass ich bis ans Ende aller Tage Dauertherapie brauche; sämtliche Nebenwirkungen inklusive. Doch das nehme ich in Kauf, denn ich will leben – und das möglichst lange. Und: Ich will Spuren hinterlassen – tiefe und nachhaltige. Ich engagiere mich für Pink Ribbon, ich möchte „Brustkrebsbotschafterin“ sein, zur Vorsorge aufrufen und Solidarität mit Betroffenen einfordern. Ich bin auf Social-Media-Plattformen aktiv und ich habe die „Meta Mädels“-Meetings ins Leben gerufen, Treffen metastasierter PatientInnen, denn vor allem sie haben oft das Gefühl allein auf weiter Flur zu sein. Außerdem habe ich die Arbeit an meinem Blog „Claudias Cancer Challenge“ sowie an meinem Buch (Arbeitstitel: „Unheilbar, aber glücklich“).

Eine Krebserkrankung ist der gesundheitliche Super-GAU. Aber ich habe gelernt, das Positive in all dem Negativen zu erkennen; mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren; den Augenblick zu genießen. Das Leben mit Krebs ist wie eine Achterbahnfahrt. Mal rattert es rasant nach unten, mal geht es steil bergauf. Everyday is an adventure.

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Sonja

Die erste Brustkrebsdiagnose erhielt ich 2006 im Alter von 30 Jahren. Mein Sohn war damals zweieinhalb Jahre alt. Ich stand unter Schock, aber ich schaffte es, mir eine Strategie zurecht zu legen: Ich fokussierte mich auf die Schritte der Therapie – zuerst die Operation und dann die Chemotherapie und dann ist es vorbei. Das war der „Kopfkino-Plan“. Ich hatte nicht bedacht, dass ich ja noch eine mehrwöchige Strahlentherapie vor mir hatte, die kräfteraubend war. Als belastend empfand ich auch die Kontrolluntersuchungen. Immer hatte ich Angst, dass was sein könnte. Erst mit den Jahren wurde es leichter und ich „freundete“ mich mit dem Gedanken an, dass ich es geschafft habe.

Doch 2015, als ich wieder in meinem Beruf als Ambulanz-Sekretärin in einem Wiener Spital arbeitete, hatte ich oft links starke Schmerzen. Der Schock: Neun Jahre nach der Erstdiagnose war der Krebs zurück. Metastasen in der Lunge. Eine Chemotherapie stand an. Eigentlich wollte ich nicht nochmal da durch. Aber ich dachte daran, dass ich meinen Sohn aufwachsen sehen will. Ich war entschlossen, nicht aufzugeben. Um mich mit betroffenen Frauen austauschen zu können, trat ich der FB-Gruppe „Brustkrebs Österreich“ bei. Hier fand ich meine „Soul Sisters“.

2016, zu meinem 40. Geburtstag, bekam ich meinen abschließenden Befund, der besagte, dass alles „weg“ ist. Ich war unglaublich erleichtert, ging wieder arbeiten und versuchte, in die- se neue Normalität zurückzufinden.

Bis Februar 2018. Leider kamen die Lungenmetastasen zurück. Seither stehe ich unter Dauertherapie. Jeder Frau, die in einer ähn- lichen Situation ist, möchte ich sagen: Verlier nie dein Lachen und die Hoffnung. Zögere nicht, dich anderen Frauen anzuschließen, die diesen Weg bereits gegangen sind. Wenn du einsam bist und auf der Suche nach einem Partner/einer Partnerin, lade ich dich ein, in meine geschlossene FB-Gruppe „Flirten & Verlieben mit Diagnose Krebs“ zu kommen. Wir wollen hier das Leben feiern – und mal wieder die Schmetterlinge im Bauch fühlen.

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Andrea

Die Diagnose Brustkrebs traf mich kurz vor Weihnachten 2012. Ich war damals 47 Jahre alt und mit meinem zweiten Mann Gerald glüclich verheiratet. Wir sind eine Patchworkfamilie, mein Sohn aus erster Ehe Peter war 19 Jahre, unser gemeinsamer Sohn Oliver war erst neun. Ich arbeitete als Filialleiterin und Prokuristin in einer Bank und liebte meinen Beruf.

Da meine Mama und meine Tante viele Jahre zuvor an Brustkrebs erkrankt waren, ging ich regelmäßig zur Mammografie. In diesem Jahr schob ich den Termin aber wegen Stress vor mir her. Dabei war mir schon einige Male eine Delle am Busen aufgefallen. Beim Eincremen nach dem Duschen hatte ich auch „etwas“ gespürt. Zufällig erzählte mir ein Bekannter, dass seine Frau die Diagnose Brustkrebs bekommen hätte und zuvor eine Delle bemerkt hatte. Mir wurde heiß und kalt, und ich ging noch am selben Tag zur Mammografie. Letztendlich die Diagnose: Brustkrebs.

Ich wurde operiert. Weihnachten feierte ich im Kreis der Familie, aber die quälende Frage, ob das mein letztes Weihnachten gewesen sein könnte, schwebte über dem Fest. Dann die Chemotherapie, eine ziemliche Strapaze; körperlich, aber vor allem auch emotional. Ich verbrachte die gesamte Therapiezeit, rund sechs Monate, zu Hause. Ich dachte immer wieder daran, dass meine Tante und meine Mama auch an Brustkrebs erkrankt waren und meine Mutter geheilt wurde, meine Tante aber leider nicht. Das fühlte sich wie ein 50:50-Joker an. Ich nannte diese Wochen auch die Zeit des „Wundenleckens“ und stellte mich mit psychotherapeutischer Begleitung der Hochschaubahn an Gefühlen und Ängsten. Nach sechs Monaten Intensivtherapie kehrte ich in meinen Beruf zurück.

Mir hätte es sehr geholfen, wenn ich früher der geschlossenen FB-Gruppe „Brustkrebs Österreich“ beigetreten wäre, ich fasste mir erst 2014 ein Herz dazu. Ich war froh und dankbar über den Austausch mit anderen Betroffenen. Daraus sind viele wunderbare Freundschaften entstanden, wie meine „Soul Sisters“. Wir sind vier Freundinnen, die auch im realen Leben durch dick und dünn gehen. Ich möchte alle, die an Brustkrebs erkrankt sind, in die für sie passende Gruppe einladen und euch sa- gen: Wir sind viele – du bist nicht allein.

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Verena

2006 war ein ganz besonderes Jahr für meinen Mann und mich, es war das Jahr der Geburt unserer Zwillinge. Im Jahr darauf war unsere Hochzeit geplant, der Alltag mit den Kindern hatte sich eingependelt. Etwa vier Wochen vor der Hochzeit, ich war damals 33, bemerkte ich beim Duschen eine Veränderung in der Brust. Ich ging zur Mammografie. Dann ging alles auf Schlag. Die Biopsie, der Befund. Die Diagnose lautete „triple negatives Mammakarzinom, hochaggressiv“. Eine Metastasierung war nicht erkennbar. Mein einziger Gedanke war: „Was wird aus den Kindern und meinem Mann, wenn ich es nicht schaffe?“ Dieser Gedanke war nicht auszuhalten. Schreist du? Rennst du? Bist du wütend oder traurig?

Zwei Wochen vor unserer Hochzeit wurde ich operiert. Danach begann die Chemo. Kleinigkeiten wurden zur großen Anstrengung, zum Teil unmöglich. Nach der Chemo kam die Strahlentherapie.

Eine Herausforderung war der Umgang mit der Angst. Eine Therapeutin hat mir sehr geholfen. Seitdem kann ich die Angst als Gast in meinem Leben betrachten. Sie darf kommen, da sein, aber auch wieder gehen. Die Krebserkrankung hat mir mein altes Leben genommen. Welche Mutter denkt darüber nach, ob sie den ersten Schultag ihrer Kinder erleben wird? – Der Weg in eine andere Normalität ist lang, aber die Leichtigkeit kommt wieder. Am Krebs selbst war und ist nichts Gutes. Aber in meinem Leben und dem meiner Familie sind viele gute Dinge entstanden, die wir ohne diese Erfahrung nicht hätten. Dafür bin ich sehr dankbar.

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Andrea

Mein erster Gedanke, als ich im November 2018 die Diagnose Brustkrebs erhielt, war: „Wie soll ich das mit meinem Mann aushalten?“ Damals war ich 41, hatte ein schönes Haus mit Pool, war verheiratet – aber leider unglücklich. Ich lebte ohne Zuneigung, die ich aber am meisten gebraucht hätte. Als ich meinem Mann die Diagnose mitteilte, sagte er: „Warum muss das immer mir passieren?“ Dabei hatte ja ich den Tumor, und nicht er ... Meine Erkrankung hat deutlich gezeigt, woran es auch in unserer Ehe krankte.

Ich hatte große Angst vor massiven Nebenwirkungen der acht Zyklen Chemotherapie, doch ich bekam alles in den Griff. Eine Quelle der Kraft war für mich die Natur. Ich habe Bäume umarmt, mich in eine Blumenwiese gelegt. Viel Positives hat mir auch ein Arbeitskollege entgegengebracht. Mein Äußeres während der langen Phase der Therapien war ihm weniger wichtig als meine Persönlichkeit. Er hat mir gegeben, was ich so dringend brauch- te: Verständnis und Zuneigung! Bei ihm vergaß ich sogar meine Schmerzen. Heute ist er mein neuer Partner.

Das Beste daraus machen – das war in allen Phasen der Erkrankung mein Leitspruch. Mit diesem Satz im Kopf habe ich mein Leben verändert und mich von meinem Mann getrennt. Heute habe ich das Gefühl, ein neues Leben geschenkt bekommen zu haben und das fühlt sich großartig an.

Natürlich gab es schwierige Phasen, aber es gab auch Menschen und Situationen, die mir Mut und Zuversicht vermittelt haben. Das „Mut machen“ während der Krankheit ist so wichtig, dass ich es unbedingt weitergeben möchte: Das Wichtigste ist LEBEN WOLLEN! Entschließt euch zu leben, es ist möglich! Akzeptiert die Krankheit, lebt mit ihr und macht das Beste daraus, auch wenn es schwierig ist und Kraft kostet!

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Aurelia

2018 war ich 64 Jahre und seit vier Jahren Witwe. Ich hatte mich gerade ein wenig vom Tod meines Mannes erholt, als ich Schmerzen in der Schulter bekam. Die Diagnose Brustkrebs traf mich wie ein Blitz. Ich ging wie in Trance zum Auto, setzte mich hinein, umarmte das Lenkrad und die Tränen flossen.

Nach der Operation begannen 15 Chemotherapie-Zyklen. Meine Tochter ist Ärztin, sie stand mir zur Seite. Es war dann an einem Wochenende, als mir in der Früh im Bad die Haare büschelweise ausgingen „Was ist aus dir geworden?“, dachte ich traurig. Ich kam mir so nackt und verletzlich vor. Die Perücke setzte ich nur widerwillig auf. Ich häkelte mir ein weißes Hauberl, so eines wie der DJ Ötzi hat. Meine Kinder und Enkerl haben ganz normal darauf reagiert, dass ich keine Perücke trug. Für mich war eher die Gesellschaft das Problem, es wurde bei mir im Ort viel getuschelt. Es gibt so viel Unwissenheit und Unverständnis.

Gegen Ende der Chemo setzte das Hand-Fuß-Syndrom ein und mir fiel fast alles aus der Hand. Meine Fußsohlen brannten, ich konnte kaum gehen. Sehr schlimm waren die Bläschen im Mund. Wir beendeten die Chemo beim vorletzten Zyklus. Mit all den Ne- benwirkungen konfrontiert, schwand mein Lebenswille. „Ich möchte sterben und zu meinem Mann“, dachte ich. Aber ich tauchte da durch. Ich versuchte, Schritt für Schritt zu denken.

Das alles ist jetzt zwei Jahre her und ich gehe wieder selbstbewusst durchs Leben.

Die Gespräche mit meiner Krebshilfe-Beraterin halfen, mit Ängsten und der Situation umgehen zu lernen. Ich nahm auch mit der Selbsthilfegruppe Kontakt auf und kann nur jeder Betroffenen empfehlen, sich mit anderen auszutauschen. „Kein Mensch kann den anderen von seinem Leid befreien. Aber er kann ihm Mut ma- chen, das Leid zu tragen“ – das drückt es für mich gut aus.


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EINFÜHLSAM.

Ab 1. Oktober im Buchhandel: „Mutmacherinnen“ zugunsten der Krebshilfe (Amazing Media mit Unterstützung des echomedia buchverlags).

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